Schauspieler

Klaus Maria Brandauer

 

…liest Fjodor Dostojewskis “Grossinquisitor”

 
 

Einer der größten kirchenkritischen Texte der Weltliteratur:
Fjodor Dostojewskis „Großinquisitor“ aus seinem Roman „Die Brüder Karamasow“.

In der vom Autor als „Phantasie“ bezeichneten Erzählung kommt Christus im spanischen Sevilla des 16. Jahrhunderts ein zweites Mal zur Welt und nimmt sein Heilswerk auf Erden wieder auf: Er macht Kranke gesund und erweckt Tote zum Leben. Der mächtige Großinquisitor lässt ihn umgehend einkerkern und erklärt Christus zum Störenfried und Aufrührer. Der Monolog des greisen Kardinals vor dem Gefangenen gerät in all seiner Unerbittlichkeit zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für die befreiende Kraft eines – recht verstandenen – Glaubens.

„Der Großinquisitor“, jenes berühmte Kapitel aus dem Roman „Die Brüder Karamasow“, stellt kritische Fragen zu christlichem Glauben und kirchlicher Repräsentanz.. Vordergründig ist Dostojewskis »Großinquisitor« kirchenkritisch. Doch der Text ist mehr als das. Es ist ein visionärer Blick auf die Herrschaftsmechanismen aller ideologisch verbrämten Diktaturen, die als Pseudoreligionen im 20. Jahrhundert erst noch folgen sollten.

Es ist einer der brillantesten und herausforderndsten Texte des russischen Schriftstellers Fjodor M. Dostojewski (1821 – 1881).

Die Handlung spielt im Sevilla zur Zeit der Inquisition. Gerade erst sind  „nicht weniger als ein volles Hundert Ketzer auf einmal ad majorem dei gloriam verbrannt“ worden, also zur höheren Ehre Gottes. Da tritt Christus in Erscheinung – und tut, was die Menschen sich ersehnen. Er macht den Blinden sehend und erweckt ein Kleinkind von den Toten. Solcherart wird er erkannt als der, der er ist – auch vom greisen Kardinal-Großinquisitor. Der lässt Christus einsperren und fordert ihn auf, nicht an dem über Jahrhunderte hinweg errichteten Kirchengebäude zu rütteln: „Du hast kein Recht, auch nur ein Wort zu dem hinzuzufügen, was einst von Dir selbst gesagt worden ist.“ So schweigt Jesus tatsächlich – und triumphiert auch ohne Worte.

 

 
Foto: Daniel Biskup - novapool artists

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